Erwachsene Menschen, die wegen Alter, Krankheit, Behinderung oder Unfall nicht in der Lage sind, ihre persönlichen und finanziellen Dinge selbständig zu regeln, erhalten eine rechtliche Betreuung. Sozialpädagogische und juristische Fachkräfte des KJSW führen im Münchener Westen sowie im Landkreis München persönlich rechtliche Betreuungen im Sinne der §§ 1896 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Das ist eine Aufgabe, die dem Einzelnen ebenso zugutekommt wie dem Allgemeinwohl. Und es ist manchmal eine anfordernde Aufgabe, wie aus dem folgenden anonymisierten Bericht einer Berufsbetreuerin des KJSW hervorgeht.
Ein Praxisbeispiel aus dem Alltag einer Berufsbetreuerin
Persönliche Kontakte zu Betreuten erfolgen in der Regel drei- bis viermal Mal pro Jahr und jederzeit bei Bedarf. Mit Telefonaten dazwischen wird der Kontakt gehalten.
Zur Person: Der erste Eindruck von Herrn L. zeigte, dass eine Kommunikation aufgrund der Schwerhörigkeit und wohl auch wegen der fortgeschrittenen Demenz kaum möglich war. Telefonate waren wegen der Schwerhörigkeit nicht möglich. Der Betreute wirkte nicht krankheitseinsichtig und lehnte Unterstützungsangebote ab. Außerdem machte Herr L. einen verwahrlosten Eindruck. Nachbarn und der Hausmeister berichteten, dass er nach dem Tod seiner Frau stark abgebaut habe und nicht mehr alleine klargekommen sei.
Soziales Umfeld: Herr L. hatte eine Bekannte, die ihn wohl früher unregelmäßig besucht hat. Zur Tochter, mit der die Betreuerin immer wieder in Kontakt war, hatte der Betreute selbst keinen Kontakt. Herrn L.s Katze musste im Tierheim versorgt werden, als er ins Krankenhaus kam und eine baldige Rückkehr in die Wohnung nicht absehbar war. Als feststand, dass Herr L. in ein Pflegeheim zieht und die Katze nicht mitnehmen kann, stellte die Berufsbetreuerin zwischen dem Tierheim und einem möglichen Interessenten einen Kontakt her.
Vermögenssorge: Die Betreuerin prüfte die Ein- und Ausgänge auf den Konten und bezahlte Rechnungen. Später gab es noch einen Hinweis auf ein weiteres Sparkonto, das nachgemeldet wurde. Da aber kein Sparbuch vorhanden war, wurde es aufgelöst und stattdessen als Ersatz ein neues Konto eröffnet, auf das das Guthaben übertragen wurde. Herr L. hatte kürzlich ein neues Auto kaufen wollen. Dieser Kauf konnte rückabgewickelt werden. Ein früherer Wagen befand sich bei der Verwahrstelle der Polizei.
Entgegennahme und Öffnen der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise: Alle bekannten Stellen wurden über die Betreuung und später auch deren Ende informiert und gebeten, den Schriftverkehr direkt mit der Betreuerin zu führen. Nachdem nicht alle Stellen bekannt waren, wurde zusätzlich ein Postnachsendeauftrag eingerichtet.
Gesundheitssorge: Die Hausärztin Herrn L.s hat ihn zuletzt vor knapp zwei Jahren gesehen. Es machte zunächst auch den Eindruck, dass Herr L sich nicht ärztlich versorgen lassen wollte. Aufgrund der Selbstgefährdung durch die starke Verwahrlosung, der fehlenden Krankheitseinsicht und der Ablehnung, Hilfe anzunehmen, sah sich die Betreuerin gezwungen, einen Unterbringungsantrag zu stellen. Bevor jedoch über den Antrag entschieden werden konnte, ist Herr L. auf der Straße gestürzt und kam ins Krankenhaus. Mit großer Mühe gelang es, ihn dort mit einem neuen Hörgerät zu versorgen.
Wohnungsangelegenheiten: Laut Grundbuch gehörten Herrn L. und seiner Frau je zur Hälfte die Eigentumswohnung und der Tiefgaragenstellplatz. Die Ehefrau war bereits vor einigen Jahren verstorben. Die Wohnung von Herrn L. war stark verschmutzt und roch sehr streng. Da nach der Krankenhauseinweisung zunächst eine Rückkehr in die Wohnung mit verschiedenen Helfern wie Pflegedienst, Haushaltshilfe, Essen auf Rädern und Hausnotruf angestrebt wurde, wurde veranlasst, dass die Wohnung für seine Rückkehr vorbereitet wurde.
Bezüglich der Organisation der ambulanten Versorgung war sehr schnell klar, dass Herr L. sich nicht ausreichend um sich selbst und seinen Haushalt kümmerte. Laut Aussagen des Umfeldes trug er seit vielen Jahren die gleiche Kleidung und hat diese wohl auch nicht gewaschen. Leider sah Herr L. dieses Problem nicht ein. Der Pflegedienst hätte die Versorgung erst übernehmen können, sobald der Zugang zur Wohnung sichergestellt gewesen wäre. Es gab die Befürchtung, dass Herr L. aber auch diese Hilfe nicht angenommen und die Mitarbeiter des Pflegedienstes weggeschickt hätte. Dennoch sollte er mit Hilfe in der eigenen Wohnung zu bleiben können. Nachdem er aber gestürzt war, wurde nach einer Zeit im Krankenhaus klar, dass eine Rückkehr in die Wohnung leider nicht mehr möglich war, so dass nach dem Krankenhaus eine direkte Verlegung in ein Pflegeheim erfolgte.
Nachdem klar wurde, dass eine Rückkehr in die Wohnung nicht möglich war, wurde Herr L. nach längerer Suche – die Pflegeheime hatten aufgrund der Corona-Pandemie einen Aufnahmestopp – in ein Pflegeheim entlassen. Sowohl im Krankenhaus, als auch im Pflegeheim hatte die Betreuerin Kontakt zu den behandelnden Ärzten.
Heim-Pflegevertrag: Schließlich wurde ein Heimvertrag unterschrieben und es gab diverse Gespräche mit der Verwaltung und den Mitarbeitern des beschützenden Wohnbereichs über die Situation des Betreuten.
Auf den Antrag der Betreuerin wurde bei Herrn L. eine Schwerbehinderung festgestellt. Daraufhin konnte eine rückwirkende Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht erfolgen. Nach dem Heimeinzug wurde die Abmeldung von der Rundfunkbeitragspflicht beantragt.
Die Feststellung eines Pflegegrades wurde bereits Anfang Dezember 2019 beantragt. Eine Begutachtung konnte im Krankenhaus allerdings nicht erfolgen. Aufgrund der Corona-Pandemie fand daher erst kurz vor dem Tod von Herrn L. mit Hilfe der Pflegekräfte im Heim eine telefonische Begutachtung statt.
Herr L. hatte zuletzt die Nahrungsaufnahme verweigert und wurde mit Trinknahrung versorgt. Obwohl er kürzlich an einem Infekt gelitten hatte, kam sein Tod doch relativ überraschend. Mit dem Hausarzt und der Tochter wurde noch über den Sinn einer Krankenhauseinweisung diskutiert, kurz darauf ist Herr L. im Pflegeheim friedlich eingeschlafen.