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Wie gerne lebst Du?

Gabriele Port führt im Rahmen des Projekts BEVOR Interviews mit Bewohner*innen des Hauses Maria Linden über Leben und Tod. Wir sprachen mit ihr über ihre Aufgabe:

Frau Port, Sie führen Gespräche mit Bewohner*innen des Hauses Maria Linden, um deren Wünsche für den Fall einer schweren Erkrankung zu erfahren, wenn sie sich selbst nicht mehr äußern können. Wie laufen solche Gespräche ab?

Gabriele Port: Zunächst muss man wissen, dass ich nicht nur einmal mit jemandem spreche. Unsere Qualitätsstandards legen eine Mindestzahl von zwei Gesprächen fest, aber meist sind es mehr – oft sechs bis zehn Gespräche. Das ist wichtig, um die Aufmerksamkeitsspanne der jeweiligen Bewohner nicht zu überschreiten.

Und wie steigen Sie ins Gespräch ein?

Gabriele Port: Wir treffen uns wegen der Pandemie in einem Raum mit Abstand. Dann lasse ich die Bewohnerin, den Bewohner erzählen, was gerade wichtig ist, wie es heute geht, wie der Tag bisher war. Schließlich fokussiere ich auf das Thema: Wie möchte jemand vom Arzt behandelt werden, wenn er das selbst nicht mehr sagen kann. Dabei schreibe ich mit.

Das sind ja keine einfachen Themen…

Gabriele Port: Schwere Krankheiten und Tod sind immer noch Tabu-Themen. Deshalb ist es schön, dass wir uns die Zeit nehmen können, die dafür nötig ist. Jeder Bewohner kann aber während des Gesprächsverlaufs „Stopp“ sagen, wenn ihm oder ihr zu viel wird.

Wenn das geklärt ist, beginne ich. Ich fange immer mit der Frage an, wie gerne jemand lebt. Das ist für die meisten überraschend. Aber die Antwort auf diese Frage sagt schon ganz viel über den Menschen aus, was für ihn oder sie Lebensqualität bedeutet.
Und dann schauen wir darauf, was jemand über das Sterben denkt. Die beiden Gegenseiten schauen wir an.

Ist es hilfreich, wenn jemand dabei ist, der die jeweiligen Klienten aus der Wohngruppe kennt?

Gabriele Port: Beim allerersten Gespräch verzichte ich bewusst darauf, denn ich will mir selbst ein Bild machen. Wenn ich dann den Eindruck gewinne, dass es besser ist, dass eine Bezugskraft dazukommt, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen, dass die Bezugskraft dabei ist und für mich „übersetzt“. Oder ich gehe nach dem Gespräch zum Mitarbeiter, zur Mitarbeiterin und schaue, wie valide die Aussagen des Klienten sind.

Und wie gehen die Gespräche dann weiter?

Gabriele Port: Wenn wir diese zwei Themen besprochen haben, dann schauen wir gezielt medizinische Situationen an: Wie er oder sie sich behandeln lassen möchte in Krisen, ob es Situationen, die er oder sie nicht erleben möchte, wie man im Fall von Scherzen umgeht und so weiter.

Unser Prisma: Geht es auch um Themen, wer dabei sein soll, wenn man stirbt?

Gabriele Port: Ja, das auch. Das ist aus dem kleinen „Schatzkästlein“ unserer Gespräche. Darin halten wir Hinweise auf wichtige Menschen und Orte fest, aber auch, was man gerne isst oder trinkt, ob man Bettsocken braucht, weil man sonst kalte Füße hat und vieles mehr.

Wie ist der Kontakt zu den rechtlichen Betreuern?

Gabriele Port: Sie wissen, dass die Gespräche stattfinden und sie sind einverstanden. Mit ihnen nehme ich erst dann eigens Kontakt auf, wenn die Gesprächsprozesse beendet sind. Denn dann liegen die Wünsche ihrer Betreuten dokumentiert vor. Und dann wissen sie auch, was sie umsetzen sollen.

Zur Person:
Gabriele Port ist Krankenschwester und Diplom-Pflegewirtin (FH). Sie begleitet seit 2016 Gespräche im Rahmen des Projekts BEVOR (Behandlung im Voraus planen). Sie arbeitet für die Palliativabteilung am Universitätsklinikum München und bei der Caritas in Unterhaching. Im Haus Maria Linden des KJSW ist sie für circa ein Jahr an zwei Tagen pro Woche vor Ort, um Gesprächsprozesse zu begleiten.

Interview: Gabriele Riffert

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