Am zweiten Märzwochenende 2022 kommen die ersten Geflüchteten aus der Ukraine in den Wohnheimen des KJSW an. „Wir freuen uns, dass wir Sie unterstützen können“, begrüßt Thomas Frank als Leiter des Jugendwohn- und Gästehauses München Süd Natalya (44) und deren Kinder Tanja (14) und Roman (12). „Willkommen in Sicherheit!“, ergänzt er. Gerade hat man ein großes Zimmer mit Kochzeile und Dusche/WC für die Mutter und ihre Kinder vorbereitet. Töpfe, Pfannen und ein Wasserkocher wurden beschafft sowie Tassen, Teller und Besteck, damit die kleine Familie selbst kochen kann. Zum Frühstück und Abendessen sind Natalya und ihre Kinder im Speisesaal eingeladen, wenn sie kommen möchten. Nach einigen Informationen über das Haus, dessen Bewohner*innen und die Umgebung inklusive Einkaufstipps erhalten die drei den Zimmerschlüssel. Vermutlich beruhigt sie der Hinweis, dass in München-Süd 24 Stunden pro Tag Ansprechpartner bei Bedarf greifbar sind. Eine von ihnen kann sich auch auf Russisch unterhalten.
Natalya und ihre Kinder wirken sehr gefasst. Roman zaubert sogar ein Lächeln in sein Gesicht, als Fotos gemacht werden. Doch man sieht der Familie an, dass sie eine strapaziöse Reise hinter sich hat. Die drei stammen aus Ternopil im Westen der Ukraine, etwas zwei Autostunden von der polnischen Grenze entfernt. Auch dort gibt es jetzt regelmäßig Luftangriffe durch die russische Armee. „Gestern Nacht habe ich immer wieder meine Mutter angerufen, und sie lange nicht erreicht. Später war klar, dass sie von 22:30 Uhr bis 3 Uhr in der Früh im Luftschutzbunker saß“, berichtet Natalya und streicht eine Träne aus dem Augenwinkel. Auch ihr Mann ist geblieben, denn er soll seine Heimat verteidigen. Immerhin ist sie hier mit den Kindern nicht ganz allein, denn ihre Schwester Oksana lebt bereits seit fünf Jahren in München und spricht ausgezeichnet Deutsch. Da sie mit ihrem aus Italien stammenden Mann Alessandro selbst nur eine kleine Wohnung hat, können die drei nicht bei ihr einziehen. „Aber wir machen mit ihnen Ausflüge ins Umland, zeigen ihnen München und sind auch sonst für sie da“, erklärt Oksana.
Auch Anna Marenich ist zur Ankunft der Familie zum Jugendwohnheim München Süd gekommen. Sie ist aktiv beim Kulturzentrum Gorod in München, das sich für russischsprachige Zuwanderer engagiert und derzeit vor allem für geflüchtete Menschen aus der Ukraine. Derzeit ist sie vielfach als Dolmetscherin gefragt und auch am Wochenende und abends unterwegs um zu helfen. Einrichtungsleiter Thomas Frank berührt der Krieg in der Ukraine ebenfalls sehr, denn er hat eine Schwägerin, die aus Charkiw stammt und deren Familie ebenfalls sehr unter den Bedingungen in der Heimat leidet. „Ich bin echt froh, dass wir nach unseren Möglichkeiten helfen können“, betont er. Im Jugendwohn- und Gästehaus München Süd stehen nach und nach 20 Zimmer für geflüchtete Ukrainer zur Verfügung. Insgesamt kann das KJSW nach derzeitigem Stand rund 70 Zimmer an vier Standorten für Geflüchtete zur Verfügung stellen. (rif)
Das Bild zeigt von links nach rechts: Tanja, Natalya, Roman (vor Alessandro), Oksana, Anna Marenich mit Ehemann Alexey und Leiter Thomas Frank. Foto: KJSW/Riffert